Nachruf auf meine Mutter - Inge Wolf
von Georg Wolf, 2.5.2021
Vorwort
Ich hab mich bemüht, die Nachrufe auf meine Eltern für diese Gedenkhomepage so zu verfassen, wie sie diese selbst auch geschrieben hätten. Während mein Vater sich immer gefreut hat, möglichst viel über ihn und vor allem über seine Firma zu lesen, hätte mir meine Mutter hier sicher aufgetragen: Fass Dich kurz und achte auf die Rechtschreibung! Zumindest ansatzweise ist mir das auch gelungen...
Geburt
Inge(borg) Wolf wurde am 17.4.1945 als erstes von 2 Kindern von Wanda (1922-2009) und Hans Geiger (1922-1994) in Feldkirch-Gisingen geboren. 3 Wochen nach ihrer Geburt, endete der 2. Weltkrieg in Österreich. Im Jahr darauf wurde ihr Bruder Gerd (1946-2021) geboren.
Vater
Inges Vater Hans Geiger (1922-1994) stammte ursprünglich aus Schwaz in Tirol und arbeitete im Krieg zunächst bei der Eisenbahn, bis er als Soldat eingezogen wurde. Dort wurde er im Russland-Feldzug schwer verletzt, was ihm letztendlich aber vermutlich das Leben gerettet hat.
Nach dem Krieg arbeitete er als Beamter bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch bis er Ende der 60er-Jahre aufgrund von Spätfolgen seiner Kriegsverletzung und einer vermutlich dadurch ausgelösten Erkrankung, die sich wie eine über Jahrzehnte langsam fortschreitenden Demenz auswirkte, in Frühpension musste.
Er wurde aber dennoch immerhin 72 Jahre alt, was rund 2 Jahrzehnte mehr waren, als ihm die Ärzte damals prognostiziert hatten.
Mutter
Inges Mutter Wanda Geiger (geborene Boso 1922-2009) war die Tochter einer Einwandererfamilie aus dem Trentino (Norditalien). Ihr war es immer wichtig als Österreicherin gesehen zu werden, während Inge immer stolz auf ihre „Italienischen Wurzeln“ war. Dazu beigetragen hat mit Sicherheit Inges Oma (Wandas Mutter) Anna Boso (geborene Romagna 1899-1977) zu der meine Mutter immer eine sehr enge Verbindung hatte.
Inges Eltern waren ein typisches Ehepaar der damaligen Zeit. Ihre Mutter wollte immer die „perfekte Hausfrau“ sein und ihr Vater war das typische Familienoberhaupt und der „Herr im Haus“
Diese Art des Familienlebens hat meiner Mutter ab ihrer Pubertät überhaupt nicht gepasst, was wohl auch daran lag, dass das die 60er Jahre und die Zeit war, wo die Emanzipation der Frau so richtig begonnen hat. Bis zu ihren Eltern hat sich das damals aber noch nicht durchgesprochen.
Ich hab die Eltern meiner Mutter – meine „Oma Wanda“ und meinen „Opa Hans“ - in sehr angenehmer Erinnerung. Sie waren immer unheimlich nett zu mir und meinem Bruder und wir haben in unserer Kindheit und Jugend sehr viel Zeit mit ihnen verbracht. Als meine Eltern ihre Firmen aufgebaut haben, waren ihnen die Beiden eine große Hilfe, weil sie oft auf uns Kinder aufgepasst haben.
Schule / Lehrerin
Inge besuchte die Volks- und Hauptschule am Institut St. Josef und maturierte im Juni 1964 an der Pädagogischen Akademie in Feldkirch.
2 Jahre lang arbeitete sie dann als Volksschullehrerin in Bezau und Satteins.
Nach der Hochzeit mit meinem Vater 1966 schied sie aus dem Schulbetrieb aus und unterstütze ihn bei der Gründung seiner Firma.
Pepi / Pfadi
Meine Eltern lernten sich 1964 kennen. Beiden passten ideal zusammen und ergänzten sich wunderbar.
So achtete meine Mutter z.B. immer sehr genau darauf, dass ihr Pepi immer „ordentlich angezogen“ war und ihm schien das ganz recht zu sein, auch wenn er sich manchmal über die übergroße Krawattensammlung in seinem Schrank wunderte.
Und wenn mein Vater allzu sehr in „Scherzlaune“ war, dann gab sich meine Mutter oft als seine „seriöse Seite“. Ihr empört klingenden Aufschrei „Peeeepi!!!“ klingt sicher vielen, die die beiden gut kannten, noch immer im Ohr.
Das war immer recht witzig, wenn sie damit versucht hat ihn etwas einzubremsen und gleichzeitig den anderen Leuten damit indirekt mitzuteilen, dass sie sich jetzt einfach mal vorsichtshalber von dem distanziert, was er gerade gesagt hat.
Durch Pepi kam auch Inge zu den Pfadfindern und ihrer Rolle als Führerin der jungen Pfadfinder (die dort passenderweise „Wölflinge“ hießen) passte wunderbar zur „gelernten Lehrerin“.
Hochzeit / Familie
Auch die Hochzeit meiner Eltern am 6. August 1966 wurde sowas wie ein „Pfadi-Event“. Denn die kleine Kapelle in Feldkirch-Tisis, in der die beiden heirateten, war bis dahin in einem desolaten Zustand und wurde schon lange nicht mehr verwendet. Die Pfadfinder richteten die Kapelle wieder „einsatzbereit“ her und so hatten die beiden genau die Pfadi-Hochzeit, die zu ihrem damaligen Leben ideal passte.
In den Jahren darauf wurden ich (Georg, 1967) und mein Bruder Martin (1969) geboren und unsere Mutter hatte daraufhin viele Jahre die Doppelbelastung als Mutter, Hausfrau und Geschäftsfrau.
Inges Firma „FACTS Wolf AV-Service“
Für meine Eltern waren vor allem die Anfangsjahre ihrer Firma eine recht stressige Zeit. Wir lebten damals abwechselnd in Feldkirch und in Wien – je nachdem wo es für die Firma mehr zu tun gab. In dieser Zeit kam es zwischen meinen Eltern immer öfter zu Streit, wobei es fast immer um die Firma ging und es zeigte sich, dass die damals recht enge berufliche Zusammenarbeit für ihre Ehe „nicht gerade förderlich“ war.
Die Lösung hierfür war, dass meine Mutter ihre eigene Firma bekommen hat. Das ergab sich 1973 eher zufällig, als mein Vater erfuhr, dass eine Firma namens FACTS (was für „First Austrian Commercial Television Systems“ stand) in Wien sehr günstig zum Verkauf stand, weil der Eigentümer verstorben war und das ursprüngliches Geschäftsmodell der Firma, das erste Privatfernsehen in Österreich aufzubauen, am damaligen Monopol des ORF gescheitert ist. Es war eine Mini-Firma mit nur 1-2 Angestellten und einem passenden Gerätepark an Video-, Audio- und Film-Geräten die laufend an Kunden für Veranstaltungen vermietet wurden. Also etwas das ideal zur Firma meines Vaters passte, der ähnliche Geräte im Verkaufsprogramm hatte.
So entstand damals in Wien und Feldkirch die Firma „Facts Inge Wolf AV-Service“ als die kleine „Schwesterfirma“ der wesentlich größeren Firma „Josef Wolf Audio-Visuals“ meines Vaters. Mein Vater hatte die „Verkaufs-Firma“ - meine Mutter die „Vermiet-Firma“. Beide Firmen teilten sich die Büroräume und oft auch die Mitarbeiter, aber so hatten meine Eltern die berufliche Kompetenzteilung, die sie brauchten. Jeder der beiden war Chef(in) in der eigenen Firma und für ihre Ehe war diese Trennung Gold wert.
Wien als zweite Heimat
Wien wurde für meine Mutter ab den 1970er Jahren zu sowas wie einer „zweiten Heimat“. Sie war immer schon sehr an Kunst, Kultur und Geschichte interessiert und davon gab es in Wien in Hülle und Fülle. Doch mein Vater und noch viel mehr mein Bruder und ich erwiesen uns als absolute „Kultur-Banausen“, die dem allen überhaupt nichts abgewinnen konnten. Bei meinem Vater hat sie es zumindest geschafft ein „Basis-Interesse“ für derartige Dinge zu wecken (vor allem in ihren späteren Jahren), aber bei meinem Bruder und mir stand sie hier auf völlig verlorenem Posten. Alles was uns Kinder in Wien interessiert hat war der Prater und die Treffen mit der befreundeten Familie Gröswang, aber ansonsten „woar uns Wien Blunzen“ (wie die Einheimischen sagen würden).
Ab meiner Einschulung 1974 lebten wir dann wieder die meiste Zeit des Jahres in Feldkirch, doch meine Mutter verbrachte bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 2005 immer viele Wochen des Jahres in Wien. Der Hauptgrund war meist beruflich, um sich um das Wiener Büro ihrer Firma zu kümmern, aber sie verband viele Wien Besuche mit einem „Kunst-, Kultur- und Geschichtsprogramm“ und ab und zu betätigte sie sich auch als „Hobby Reiseleiterin“, wenn sie zusammen mit meinem Vater Geschäftspartner und Freunde nach Wien eingeladen hat, um ihnen „unsere Hauptstadt“ zu präsentieren.
Reisen, Reisen, Reisen
Das große Interesse meiner Mutter an Kunst, Kultur und Geschichte beschränkte sich aber nicht nur auf Wien, sondern sie wollte die ganze Welt kennen lernen. Die große Reiselust teilte sie mit meinem Vater, auch wenn er meist mehr an der Landschaft interessiert war und sie mehr an Kultur- und Geschichte.
Besonders in ihrer Pensions-Zeit wurden ihre Reisen immer häufiger und länger. An die meisten Orte sind sie nur ein einziges Mal gereist, weil sie einfach mal dort gewesen sein wollten. Eine große Ausnahme war hier Venedig, wo sie (zusammen mit Cousine Gertrud und Bieze) seit den 90er-Jahren nahezu jährlich ein paar Tage verbracht haben.
Oma Inge
Lange Zeit sah es bei meinem Bruder und mir nicht danach aus, dass wir sobald eigene Familien gründen würden, weil in den gesamten 90er Jahren auch bei uns beiden die Arbeit in den Firmen unserer Eltern im Vordergrund stand. Aber im neuen Jahrtausend änderte sich das schnell.
2001 heiratete ich und 2002 mein Bruder Martin und bis 2007 wurde unsere Mutter dann 4-fache Oma. Und alle 4 Enkel waren -innen, also Mädchen.
Besser hätte es für meine Mutter gar nicht laufen können, denn sie selber hatte ja „nur Söhne“.
Ab hier ging sie voll auf in ihrer neuen Rolle als Oma und meine und Martins Töchter liebte sie sehr und hatten viel Freude mit ihr.
Pensionierung
Als meine Mutter dann im April 2005 ihr Pensions-Antrittsalter von 60 Jahren erreicht hat, war für sie klar, dass sie von nun an ihre Pension genießen will, „hauptberuflich Oma“ sein will und sich voll aus ihrer Firma „Facts, Wolf AV-Service“ (bzw. "Wolf AV - Veranstaltungstechnik", wie sie seit 2003 hieß) zurück ziehen wird.
Leider war es meiner Mutter nicht vergönnt, dass ihre Firma auch ohne sie weiter funktioniert hätte, denn in den Jahren vor und nach ihrer Pensionierung ist der Markt für die Vermietung audio-visueller Geräte im Business-Bereich gewaltig zusammen geschrumpft und es war vorhersehbar, dass sich dieser Trend weiter fortsetzen wird.
Genau jene Geräte, bei denen die Firma stark war (wie z.B. Videoprojektoren/Beamer oder Großbildmonitore) wurden in dieser Zeit in rasantem Tempo besser und billiger, wodurch sich immer mehr Kunden die Geräte kauften, statt sie zu mieten und alles verlagerte sich in den IT-Markt, wo die Firma einfach nicht "zu Hause" war. Dazu kam ein Preisverfall durch zu viele Anbieter und immer mehr Konkurrenz im Internet. Der Markt war am „zusammenbröckeln“.
So wurde ausgerechnet die Schließung der Wiener Filiale zur letzten großen Aufgabe, die meine Mutter in ihrer Firma zu erledigen hatte und ein paar Jahre später mussten wir das Vermiet-Geschäft dann leider auch in Vorarlberg aufgeben.
Aktive Pensionistin
Es folgte 11 Jahre, in denen meine Mutter ihre Pension die meiste Zeit genießen konnte. In diese Zeit fielen viele Reisen und ab 2011 verbrachte sie zusammen mit meinem Vater auch viel Zeit in einem Ferienhaus in Luino am Lago Maggiore in der Lombardei (Norditalien). Vieles in dieser Region erinnerte sie sehr an das Dörfchen Cicona im Trentino, wo sie als Kind schöne Urlaube zusammen mit ihrer Oma Anna und ihrem Bruder Gerd verbrachte und obwohl Luino nur 3 Fahrtstunden von Feldkirch entfernt war, war es halt doch schon „Italien“ – für sie also sowas wie das „gelobte Land“.
Ihre Geselligkeit war vor allem in ihrer Pensions-Zeit sehr groß. Treffen mit Freunden und Verwandten standen an der Tagesordnung und auch der „All-inclusive-Tarif“ bei ihrem Handy machte sich bezahlt. Sie liebte es Feste und Feiern oder Klassentreffen zu organisieren und hat hierfür immer unheimlich viel Zeit aufgewendet.
Was viele Menschen an ihr sehr schätzten war, dass sie eine sehr herzliche Art hatte und jemand war, der sich sehr für einen zu interessieren schien. Das nützten nicht wenige Bekannte gerne, um mit ihr ausgiebig über ihre Probleme zu sprechen. Für viele war sie dadurch fast so eine Art „Therapeutin“, bei der sie all ihren Kummer abladen konnten. Mein Vater hat sich oft gewundert, wie sie das geschafft hat, sich so viele Probleme anderer Leute anzuhören, ohne dabei „narrisch“ zu werden und sich davon nicht selber „runter ziehen“ zu lassen. Doch sie konnte hier einfach gut „den Schalter umlegen“ und wusste, es reicht den Leuten meist sich einfach nur aussprechen zu können. Es sind nicht ihre Probleme, sie muss sie nicht lösen, daher konnte sie sie danach auch gleich wieder „bei sich löschen“.
Innerhalb der Familie war das freilich nicht so. Da hat sie sich unsere Probleme eher zu sehr zu Herzen genommen, denn da fühlte sie sich in ihrer Rolle als Mutter oder Ehefrau in der Verantwortung, dass SIE jetzt die Lösung präsentieren muss und uns sagen muss was wir nun zu tun haben. Typisch Mutter halt! Aber interessant wie extrem unterschiedlich sie hier innerhalb und außerhalb der Familie agiert hat.
Aber dennoch - „Seelen-Kemptnerin“ (wie man Vater es nannte) - wäre neben Reiseleiterin ein weiterer passender Nebenberuf für sie gewesen.
Krankheit / Tod
Ab ihrer Pensionierung im Jahre 2005 – mit 60 Jahren - hatte meine Mutter zunehmend mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Dass sie relativ unsportlich war und im Laufe der Jahre immer übergewichtiger wurde, begann sich nun zu rächen. Als ihr das so richtig bewusst wurde, war es schon fast zu spät. Ab 2008 bekam sie starke Knie-Probleme und ab hier fiel es ihr noch schwerer gegen ihr Übergewicht anzukämpfen und sich regelmäßig zu bewegen. Die Folge war, dass sie im Februar 2010 (mit 65 Jahren) einen Herzinfakt erlitt. Doch zum Glück hat sie die Vorzeichen dafür rechtzeitig erkannt und war zu diesem Zeitpunkt bereits im Spital, was ihr damals das Leben gerettet hat.
Das war ihr eine Warnung und danach hatte sie ihr Gewicht und ihre Gesundheit eine Zeit lang wieder im Griff. Doch als Mitte 2014 die Herzprobleme bei meinem Vater akut wurden und wir um sein Überleben bangen mussten, hat sie offensichtlich aufgehört auf ihre eigene Gesundheit zu achten. Dennoch wirkte sie auch Ende 2015 - mit 70 Jahren - noch nicht wie eine „alte Frau“ und konnte noch alles machen was sie immer gemacht hat. Niemand von uns hätte damals erwartet, dass sie nur noch 3 Monate zu leben hat.
Doch am 22. Jänner 2016 kam die Schock-Diagnose: Bauchspeicheldrüsenkrebs! Zwar noch im Anfangsstadion, aber bei dieser heimtückischen Krebsart war klar, dass sie nur durch eine große Operation gerettet werden kann. Sie ließ sich in St. Gallen operieren, weil dieses Krankenhaus in unserer Umgebung den besten Ruf bei Bauchspeicheldrüsen-Operationen hatte. Doch auch die beste medizinische Versorgung konnte sie leider nicht retten, denn ihre schon vor der Krebserkrankung angeschlagene Gesundheit war dem Operationsstress, der nun folgte, nicht mehr gewachsen. Am 23. Februar wurde sie operiert, nach der Operation kam es zu Komplikationen, weitere Nachoperationen waren nötig und am 25. März musste sie nach einer 12-stündigen Not-Operation in ein künstliches Koma versetzt werden, aus dem sie nie mehr richtig erwacht ist.
20 Tage später – am 14. April 2016 um 5:30 Uhr ist sie im Krankenhaus verstorben.
Die 20 Tage im Koma und das Wissen, dass ihr ein längerer Leidensweg erspart geblieben ist, machten es für uns als Angehörige etwas leichter ihren Tod zu akzeptieren, aber es war dennoch sehr hart sie zu verlieren.
3 Tage nach ihrem Tod wäre sie 71 Jahre alt geworden. Erst 71! Ich wünschte, wir hätten noch viel mehr Zeit mit ihr gehabt.
Beerdigung / Nachruf
Wie beliebt sie war, sah man anlässlich ihrer Beerdigung am 20. und 21. April. Bei beiden Messen für sie war der Dom in Feldkirch komplett gefüllt.
Sie war einfach eine unheimlich nette Frau, die sehr viel Freundlichkeit und Freude verbreitet hat und ihre gesamte Umgebung ein „köriges Stück bunter“ gemacht hat. Und sie hat diese Welt – nach dem alten Pfadfinder-Prinzip – ein Stück besser zurückgelassen als sie sie vorgefunden hat.